Bereits seit dem Jahr 2000 beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema ADHS, bin dabei mit vielen Menschen in Kontakt gekommen. Es waren betroffene Menschen und die direkt oder in direkt mit betroffen Menschen zu tun haben. Immer wieder tauchte eine Frage auf: „Modeerscheinung oder ernsthafte Erkrankung?“. Ich wollte Antworten finden. So nahm ich an zahlreichen Vorträgen und Workshops teil und führte intensive Gespräche mit Fachärzten und Betroffenen. Dabei konnte ich viele lehrreiche Erfahrungen sammeln und kam so zu meiner Meinung. Modeerscheinung? Nein! Definitiv nicht, denn ADHS gibt es nicht erst seit ein paar Jahren. In dem Buch „Der Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffman wird deutlich, dass es betroffene Menschen auch schon im 19. Jahrhundert gab. In dem Buch werden eindrucksvoll ADHS typische Symptome beschrieben.
Ernsthafte Erkrankung? Darüber streiten sich sogar ADHS Betroffene und Fachleute gleichermaßen. Ich persönlich sehe es nicht als Erkrankung, wenn dann höchstens als Störung. Ich sehe es eher als eine Art Begabung.
Begabung? Warum haben dann viele Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene so viele Probleme im Alltag und in ihrem Umfeld? Der biologische Faktor ist bei den meisten ADHS’lern gleich. Sie haben zu wenige Botenstoffe. Teils gravierende Unterschiede gibt es in ihrer Umwelt, in der sie aufwachsen. ADHS wird in den Kindern bereits mit in die Wiege gelegt und von da an benötigen diese Kinder eine ganz andere Herangehensweise, als bei nichtbetroffenen Kindern.
Unser Sohn war bereits 2,5 Jahre alt, wo wir zum ersten Mal mit dem Thema ADHS konfrontiert wurden. Wenn ich jetzt zurück denke, hatten wir schon dort eine Odyssee durch. Ständig schrie er, benötigte sehr wenig Schlaf, wollte stets und ständig beschäftigt werden und reagierte oft sehr aggressiv. Sich mal alleine zu beschäftigen, nein daran war kaum zu denken. Gefühlte Stunden trugen meine Frau oder ich ihn durch die Wohnung, damit er endlich schliefe. Das ging nicht spurlos an uns als Eltern vorbei. Ständig machten wir uns Vorwürfe: „Was haben wir falsch gemacht?“. Dies führte sogar zu depressiven Gefühlen, was unsere Situation noch zusätzlich verschlimmerte.
Auf Anraten einer Erzieherin gingen wir dann zu einer Psychologin. Sie sprach von ADHS.
ADHS!? „Oh Gott, was ist das?“. Von da an beschäftigten wir uns intensiv mit diesen Thema. Schon bald hatten wir uns das theoretische Grundwissen angeeignet und erfuhren, dass nicht wir alleine daran „Schuld“ sind. Sondern, dass es dafür eine biologische Erklärung gibt.
ADHS ist nicht heilbar, dies wurde uns bei unserer Recherche klar. Aber man kann die Auswirkungen positiv beeinflussen.
Unser Sohn war 2,5 Jahre alt, da haben wir uns umgestellt und suchten von nun an nach möglichen Wegen um die Entwicklung unseres Sohn positiv beeinflussen zu können. Eins wurde dabei deutlich: „Alleine schaffen wir das nicht!“ Wir suchten den Kontakt zu seinen Erziehern, seinen Lehrern, Therapeuten und zu einer Fachärztin. Gemeinsam suchten wir nach geeigneten Wegen um unseren Sohn auf allen Ebenen optimal zu unterstützen. Nun wird er langsam Erwachsen und wir merken mit Stolz, dass sich der Einsatz gelohnt hat.
Diese Erfahrungen wollte ich mit anderen teilen und so schloss ich mich der ADHS Selbsthilfegruppe Neubrandenburg an und war in Onlineforen sehr aktiv.
Während meiner Arbeit in der SHG und in den Online-Foren wurde mir schnell klar, dass es nicht so einfach ist „unseren Weg“ auf andere Familien zu übertragen. In den meisten Fällen scheiterte es an der Zusammenarbeit zwischen Eltern, Erzieher und Lehrern. Dies lag manch-mal an Unwissenheit, manchmal an Verweigerung und oft an der Hilflosigkeit sowohl bei den Eltern, als auch bei den Erziehern und Lehrern.
Dies wollte ich versuchen zu verändern. In der ADHS Selbsthilfegruppe Neubrandenburg fand ich Menschen, die es auch so sahen. So entwickelten wir immer neue Projekte. Nach 10 Jahren erfolgreicher Arbeit beschlossen wir jetzt einen eigenen Verein zu gründen. Somit haben wir weitere Möglichkeiten betroffene Familien zu unterstützen und dies von der Geburt bis zum Erwachsensein.
Meine Gedanken für die Zukunft:
Wenn ich mich mit Betroffenen unterhalte, höre ich immer wieder, dass die Gesellschaft mit daran schuld sei. Aber wer ist die "Gesellschaft"?
Die Gesellschaft, das sind doch wir, jeder einzelne von uns. Also haben wir es doch auch in der Hand, die Gesellschaft zu verändern.
Es fängt doch schon damit an, dass viele nur über die Schwächen von ADHS'lern reden. Sollten wir nicht die positiven Seiten in den Vordergrund rücken? Ich sage: "Ja", denn nur mit einer positiven Grundeinstellung kann ich einen Beitrag für "eine bessere Gesellschaft" leisten. Helfen Sie mit, damit unsere Kinder ihren Platz in unserer Gesellschaft finden. Sie haben es in der Hand!
Fred Freese
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